Pulsfischerei: Die neue Fangart

Was bringt die Krabben dazu, den Meeresboden zu verlassen und ins Netz zu schwimmen? Mit dieser Frage beschäftigen sich die Krabbenfischer seit Generationen. Wissenschaftler haben einen neuen Weg gefunden: Mit Strom lassen sich die scheuen Garnelen gut aufscheuchen. Die neue Fangart hat Vorteile, birgt aber gleichzeitig auch Gefahren. Vor der Einführung müssen daher klare Regeln her, fordern die Krabbenfischer. 

„Sagen Sie bloß nicht Elektrofischen. Dann denken die Leute gleich an den elektrischen Stuhl“, sagt Daniel Stepputtis, der am Thünen-Institut für Ostseefischerei zur Puls-Baumkurre in der Krabbenfischerei forscht. Mit der grausamen Hinrichtungsmethode hat die Pulsfischerei – wie sie korrekt heißt – nichts zu tun. Das neue Fanggerät scheucht die Krabben eher sanft auf: An den Netzen, die über den Meeresboden gleiten, sind Elektroden angebracht. Diese geben fünf elektrische Pulse pro Sekunde ab. Die Frequenz entspricht etwa dem Takt der Schwimmbewegung der Garnelen. „Es ist so etwas wie eine Erinnerung an die Krabbe, sich zu bewegen. Wir arbeiten mit 60 Volt – das ist genau auf die Krabbe abgestimmt. Die Garnelen springen vom Meeresboden hoch und schwimmen direkt ins Netz“, erklärt der Fischereibiologe. 

Alle bisherigen Untersuchungen zeigen keine negativen Auswirkungen auf das Ökosystem unter Wasser. „Natürlich können wir Wissenschaftler nicht jeden Bakterienstamm, nicht jeden Ruderfußkrebs in den verschiedenen Entwicklungsstadien analysieren. Wir haben aber nach bestem Wissen und Gewissen untersucht“, erklärt Stepputtis. Und die Fangmethode birgt weitere Vorteile: Den Fischern geht weniger Beifang ins Netz. Denn bei dem herkömmlichen Gerät werden die Netze mit Rollen über den Meeresboden gezogen. Diese Rollen sind so eng zusammen, dass zum Beispiel Plattfische nicht einfach liegen bleiben können, wenn das Netz kommt. Sie müssen nach oben schwimmen, wenn die Rollen über sie hinweggezogen werden und landen dann auch im Netz der Krabbenfischer. Wird mit Pulsen gefischt, können die Plattfische auf dem Meeresgrund liegen bleiben. Denn sie reagieren kaum auf die Impulse und die Puls-Baumkurre kommt mit weniger oder ganz ohne Rollen aus. Die Forscher gehen außerdem von einem geringeren Treibstoffverbrauch aus.

Weniger Beifang, geringerer Energieverbrauch und weniger Meeresboden-Kontakt: Die Krabbenfischerei könnte mit Strom umweltfreundlicher gestaltet werden. Diese möglichen Vorteile sieht auch Philipp Oberdörffer von der Erzeugergemeinschaft der Deutschen Krabbenfischer: „Wir sehen Potenzial in der neuen Fangmethode, aber auch viele Gefahren. Wir brauchen vernünftige Regeln und eine umfassende Untersuchung der Auswirkungen –auch auf ökosystemarer Ebene. Da dies bisher nicht vorhanden ist, ist eine Einführung abzulehnen.“ Denn die Krabben-Puls-Baumkurre kann effektiver fischen als das bisherige Fanggerät. Das heißt, dass bei gleichem Zeitaufwand deutlich mehr Krabben gefangen werden können. Da es bei der Krabbenfischerei keine Begrenzung gibt wie in anderen Fischereien, ist das Meer ruckzuck leergefischt, fürchten die Krabbenfischer. Die Folge: Zu viele Krabben kommen auf den Markt und in der nächsten Generation bleibt der Nachwuchs aus. Philipp Oberdörffer: „Wir brauchen vor der Einführung des neuen Fanggeräts eine Steuerung. Sonst öffnen wir die Büchse der Pandora. Diese Regeln muss die Europäische Union im Vorfeld präzise festlegen, um eine Aufwandssteigerung durch die Pulsfischerei wirkungsvoll zu verhindern.“

 

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